Etwas Sorgen mache ich mir ja schon. Vielleicht übertreibt das Wort Sorgen es etwas, aber unwohl ist mir allemal. Das bezieht sich auf die offizielle Bestätigung der Deutschen Telekom, für Breitbandanschlüsse im Festnetz eine Volumenbegrenzung einzuführen. Ab dem 02. Mai soll für alle Neuverträge im Festnetz eine Bandbreiten-Drossel abhängig vom Transfervolumen eingeführt werden. Für Bestandskunden ändert sich zunächst nichts.
Aber das sind sicherlich keine neuen Informationen. Es soll in diesem Beitrag auch nicht darum gehen ob ich die Grenze von 75 GB pro Monat bei meinem 16 Mbit-Anschluss erreiche oder nicht. Mir geht es vielmehr um die Auswirkungen, die eine Drosselung der Bandbreite mit sich bringt und um die vielen Kommentare und Meinungen, die ich in der letzten Zeit gelesen habe.
Ich persönlich kann mich mit einer Drosselung überhaupt nicht anfreunden. Ich finde die Volumenbeschränkung bei Mobilfunkverträgen schon sehr einschränkend. Oft warte ich mit einer Aktion, bis ich wieder einen WLAN-Zugang habe. Beispielsweise für die Aktualisierung von Apps auf meinem iPhone. Denn wurde das Volumen erst mal überschritten, surft man noch lediglich mit einer Geschwindigkeit, die jeglicher Beschreibung spottet.
Trotzdem erreiche ich sehr oft mein Limit von aktuell 600 MB pro Monat. Normalerweise habe ich in meinem Vertrag sogar nur 300 MB. Allerdings kommt die gleiche Menge noch mal durch die LTE-Option hinzu. Erst gestern Abend bekam ich wieder eine nette SMS mit dem folgenden Inhalt:
Sie surfen bis Ende des Monats mit reduzierter Geschwindigkeit, da die Volumengrenze Ihres Tarifs erreicht ist. Mit SpeedOn können Sie Ihre Ausgangsgeschwindigkeit wiederherstellen.
Sehr unschön. Ein ähnliches Szenario befürchte ich auch für Festnetz-Anschlüsse. Hier ist seit langer Zeit nicht mehr notwendig, auf die Zeit oder das Volumen zu achten. Ich finde es fatal, wenn sich das bei letztgenanntem wieder ändern würde. Ich möchte nie wieder Dienste im Internet nutzen und dabei eine Volumenbeschränkung im Hinterkopf haben. Unterwegs nervt mich das schon genug, da brauche ich das nicht noch zu Hause.
Gedrosselte Innovationskraft?
Viel schlimmer finde ich aber die Auswirkungen auf neue Dienste, Technologien und Anwendungsbereiche. Nehmen wir beispielsweise YouTube. Der Dienst ist im Jahr 2005 entstanden. Das ist noch gar nicht so lange her. Im Mai wurde der öffentliche Beta-Test gestartet und im November ging der Dienst online, wenn man den Informationen von Wikipedia glauben schenkt. Ist so eine Plattform denkbar, wenn die Benutzer auf ihr Volumen achten müssen? Laut einem Bericht von Teltarif kamen im Jahr 2006 die ersten ADSL2+-Anschlüsse mit 16 Mbit auf den Consumer-Markt. Genau die gleichen Anschlüsse, die jetzt im Jahr 2013 mit einer Obergrenze von 75 GB pro Monat beschränkt werden. Schlägt die Grenze zu, wird auf 384 Kilobit pro Sekunde heruntergeregelt. Laut dem Verein Digitale Gesellschaft entspricht das dem Niveau der 90er Jahre. Ich bin mir sicher, dass mit dieser Geschwindigkeit kaum jemand wirklich auf YouTube unterwegs sein möchte. Das erinnert an die Zeiten, in denen Videos vorladen mussten, damit ich sie anschließend an einem Stück sehen konnte. Gruselig!
Das Thema betrifft damit eine Menge Start-Ups, die in den letzten Jahren gegründet wurden. Gerade im Bereich der Smartphones oder allgemein der Internet-Dienste ist eine Volumenbeschränkung ein harter Einschnitt. Über Spotify in hoher Qualität Musik hören? Nicht mehr uneingeschränkt denkbar. Das Thema nervt ja schon beim Mobilfunkvertrag und ist im Grunde erst erträglich geworden, nachdem der Traffic, der über Spotify erzeugt wurde, nicht mehr auf das Monatliche Volumen angerechnet wird. Auch diese Zusammenarbeit kann natürlich schon kritisch gesehen werden. Mal von den Anbietern von Diensten für Video-Streaming ganz zu schweigen. Die bekommen sicherlich noch schneller die Auswirkungen zu spüren, da dort viel mehr Daten anfallen.
Wie viele Daten mittlerweile anfallen, sieht man an Statistiken, die beispielsweise auf Wikipedia veröffentlicht werden. Laut einem Artikel gab es im Jahr 2001 ein globales Verkehrsaufkommen von 197 Petabytes pro Monat. Im Jahr 2011 waren es schon 27.483 Petabytes. Eine unglaubliche Datenmenge und eine krasse Steigerung. In Zeiten von immer mehr Traffic ist es umso kritischer, wenn ein Inklusiv-Volumen für Festnetz-Internetanschlüsse eingeführt wird.
Danke Deutsche Telekom
Einen Dank muss man der Deutschen Telekom dafür aussprechen, dass sie das Thema Netzneutralität einer breiten Masse näher gebracht haben. So richtig ernst gemeint ist der Dank natürlich nicht, da gerade die Netzneutralität durch die Drosselung stark beschnitten wird. Aber immerhin wird das Thema jetzt öffentlicher diskutiert, als noch vor einiger Zeit.
Das Problem ist, dass nicht alle Dienste von der Beschränkung betroffen sind. Das Produkt Entertain zum Beispiel, dass Fernsehen und einige Zusatzfunktionen über das Internet erlaubt, ist von der Beschränkung nicht betroffen. Das ist für andere Anbieter natürlich ein großer Wettbewerbsnachteil. Ein klarer Schritt Richtung Zwei-Klassen-Netz, da die Daten nicht mehr neutral behandelt werden. Das zwingt Kunden mit einem Telekom-Anschluss direkt dazu, auch weitere Dienste über den gleichen Anbieter dazuzubuchen, damit das Inklusiv-Volumen nicht zu schnell ausgeschöpft ist. Das ist auch wieder ein Problem Richtung Innovationskraft, da diese Einschränkung viele neue Angebote behindern könnte. Diese Themen werden leider viel zu selten wirklich diskutiert. Oft ist nur die Rede vom Konsum. Das heutige Internet lebt aber zu einem großen Teil von der Erstellung von Inhalten. Blogs, soziale Netzwerke und das schon angesprochene YouTube, um nur einige zu nennen. Und Cloud-Dienste, die auch immer mehr genutzt werden, sind da noch gar nicht genannt. Ich finde es entspannend und beruhigend, wenn ich nicht darauf achten muss, wie viel Volumen mein Dropbox-Account & Co tatsächlich verbrauchen.
Auch oft vernachlässigt wird das Thema Anonymität beim Surfen. Auch die ist betroffen, da die Benutzung von Diensten, die von der Volumenbeschränkung ausgenommen werden, protokolliert werden müssen. Nur so ist sichergestellt, dass die korrekte Menge von übertragenen Daten ausgenommen werden können. Ein schöner Artikel, der auch dieses Problem adressiert, ist auf Zeit.de zu finden.
Begründet wird der Schritt von der Deutschen Telekom damit, dass das Datenvolumen stetig steigt und der Netzausbau so teuer ist. Ein Artikel auf Golem.de widerspricht diesem Problem allerdings mit der Begründung, dass es in Deutschland gigantische Backbone-Überkapazitäten gibt, der Datenverkehr zu Spottpreisen ermöglicht.
Spott, Gegenstimmen und die Konkurrenz
Spott hat die Deutsche Telekom in den letzten Tagen reichlich abbekommen. Kaum jemand möchte sich mit der Drosselung abfinden. Eine schöne Grafik ist im Blog auf avatter zu finden, die ich hier gerne übernehmen möchte.
Aus jetziger Sicht ist das noch utopisch. Ich hoffe auch, dass es niemals Realität wird, wenn bei solchen Staffelungen waren wir im Festnetzbereich schon mal und sind wir bei Mobilfunk-Tarifen immer noch. Natürlich verpackt mit schönen Marketing-Namen. Im Grunde läuft es aber auf das gleiche Problem hinaus.
Auf der Website http://drossl.de/ gibt es einen Rechner, der genau kalkuliert, wann das Inklusiv-Volumen aufgebraucht ist und wie schnell der Internetzugang – auf den ganzen Monat gerechnet – tatsächlich ist. Die Ergebnisse sind nicht schön anzusehen.
Auch ein extra Musik-Titel „Funktional kaputt“ steigt in den iTunes-Charts immer weiter nach oben und war schon auf Platz 57, als ich das letzte Mal nachgesehen habe.
Seit einiger Zeit gibt es auch eine Petition gegen die Drosselung auf change.org. Ich habe mittlerweile auch unterschrieben und hoffe, dass die benötigen 100.000 Unterschriften zusammenkommen. Aktuell haben über 37.000 Menschen unterschrieben.
Natürlich nutzt auch die Konkurrenz die Aufregung um die Drosselung bei der Deutschen Telekom für ihre Zwecke. Die folgende Abbildung zeigt den Ausschnitt eines Screenshots, den ich beim Googeln nach „telekom drosselung“ gemacht habe. Zu sehen ist eine von Unitymedia geschaltete Werbung, die ganz klar auf die Drosselung bei der Deutschen Telekom abzielt. Vermutlich nicht die letzte Anzeige dieser Art.
Einige schöne Kommentare sind auch auf Netzpolitik.org zu finden.
Fazit
Es ist erschreckend, dass gerade in der Informationsgesellschaft eine Volumenbeschränkung für Breitband-Internetanschlüssen eingeführt werden soll beziehungsweise auch von vielen Anbietern schon eingeführt wurde. Dass passt so gar nicht zu den Versprechen, den digitalen Standort Deutschland weiter auszubauen.
Ich hoffe, dass diese Praxis nicht weiter Schule macht. Bisher gibt es noch etliche Anbieter, die gar keine Drosselung vornehmen. Ich befürchte aber, dass das Vorgehen auch von anderen Anbietern übernommen wird, falls die Deutsche Telekom ohne größere Schwierigkeiten damit durchkommt. Auf Winfuture.de kann eine der vielen aktuellen Listen eingesehen werden, ob und wenn ja wie die Anbieter aktuell mit den Beschränkungen umgehen.
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